Skip to content

Ausgabe 6/2021

Digitalisierung als technologischer Wegbereiter für das Energiesystem der Zukunft

Dr. Oliver Then

Wer hat Sie nicht schon gehört, die Schlüsselbegriffe der digitalen Welt: Big Data, Data Mining und Data Lakes, Smart Meter und Predictive Maintenance, KI und Cybersecurity, um nur einige zu nennen. Manche der dahinter steckenden Technologien gehören für viele von uns in der Energiewirtschaft bereits als konkrete Anwendung zum Alltag, bei anderen Technologien steht die Branche noch am Beginn der Nutzung. Allen Technologien ist gemein, dass sie in der zukünftigen Energieversorgung die entscheidende Rolle spielen werden.

[weiter…]

Systemtrennung als Warnschuss? – Aktuelle Aspekte der elektrischen Versorgungssicherheit

Marc Oliver Bettzüge

Der System-Split am 8. Januar 2021 hat gezeigt, welche überregionalen Anstrengungen für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Strom im Notfall aktuell bereits notwendig sein können. Die Herausforderungen für die Versorgungssicherheit nehmen durch die Transformation des Energiesystems, nicht zuletzt vorangetrieben durch den (deutschen) Kohleausstieg und das europäische Clean Energy Package, weiter zu, zumal das Stromsystem mittelfristig der entscheidende Bereich für die Transformation bleiben wird. Daher besteht die Aufgabe in den folgenden Jahren darin, unter den verfügbaren Maßnahmen rechtzeitig diejenigen zu identifizieren und umzusetzen, welche die Versorgungssicherheit bestmöglich stützen können. Neben der Förderung der erneuerbaren Energien sind daher gezielte Investitionen in Technologien notwendig, die einen hohen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Es bleibt allerdings die Frage, inwieweit der aktuelle institutionelle und marktliche Rahmen eine derartige Anpassung des Stromsystems zur Wahrung der Versorgungssicherheit gewährleisten kann.

Download Beitrag [1,8 MB]

Risikoanalysen: Gefahren neuer Energieprojekte erkennen und beherrschen

Thorsten Weidl

Neue Entwicklungen in der Energietechnik sind nicht immer ausreichend durch Normen und Technische Regeln beschrieben. Bei großen Sonderprojekten sind standardisierte Verfahren mitunter nicht anwendbar. Damit Hersteller und Betreiber ein sicheres Produkt oder Verfahren gewährleisten können, müssen sie dessen Risiken ermitteln. Vier Beispiele zeigen, wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile für Unternehmen sind. Entwickler neuer Technologien und Hersteller innovativer Systeme haben es oft schwer, die volle Akzeptanz der Öffentlichkeit für ihre Produkte zu finden, so lange keine Erfahrungswerte existieren und die Technik grundsätzlich als kritisch eingestuft wird. Das tatsächliche Risiko muss daher nach einem Standard bewertet werden. Dabei hat es sich bewährt, einen objektiven Vergleich herzustellen zu bereits bekannten und akzeptierten Techniken mit ähnlichem Nutzwert. Dieser Nachweis der gleichen Sicherheit wurde zum Standard bei der Einführung neuer Technologien in Deutschland.

Download Beitrag [1,5 MB]

Was macht ein Hüttenkraftwerk mit einem Simulator?

Peter Lasch

Ein viel gehörtes Buzzword heutzutage ist der Digitale Zwilling, der zahlreiche Vorteile für den Betrieb von Kraftwerkskomponenten bringt. Warum hat sich also das Konzept eines dynamischen Simulators als Digitaler Zwilling einer ganzen Anlage noch nicht bis auf den großen Kreis der Industriekunden ausgeweitet? Gerade Industriekraftwerke stehen derzeit unter hohem Druck. Die Unternehmen wollen Ihre Produktion dekarbonisieren, müssen aber gleichzeitig sicherstellen, dass die nachgelagerten Prozesse sicher mit Energie und Prozessdampf versorgt werden oder die Lieferverträge für Fernwärme eingehalten werden. Einen Baustein zu Optimierung liefert ein dynamischer high-fidelity Simulator des Gesamtprozesses, welcher alle Aspekte in der Modellierung berücksichtigt. Anhand des Projektes von voestalpine für die Erstellung eines Simulators für deren neusten Kraftwerksblock am Standort Linz werden Details und Umsetzung vorgestellt.

Sichere IT-/OT-Geräte nach IEC 62443-4-2: eine weltweite Lösung

Stefan Loubichi

Aufgrund der sehr großen Zunahme von Cyberattacken auf Kritische Infrastrukturen und der Debatte darüber, inwieweit IT-/OT-Geräte eine unverhältnismäßig große Gefahr darstellen, wird weltweit nach einer Lösung gesucht, wie die Sicherheit von kritischen Komponenten nach gleichen Kriterien bewertet werden kann. Die eher politisch denn wissenschaftlich- belegte These, dass die Geräte eines Herstellers nur deshalb unsicher sind, weil diese in einem bestimmten Land hergestellt werden, ist zu leicht als wirtschaftlicher Protektionismus zu durchschauen und wird auf lange Sicht keinen Bestand haben. Die Normenreihe der IEC 62443 bietet hier einen Ausweg über eine Produktzertifizierung nach IEC 62443-4-2 in Verbindung mit der IEC 62443-4-1. Schließt man hieran noch einen Black-Box-Penetrationstest an, so hat man hierdurch den Nachweis der sicheren Funktionalität, ohne dass Hersteller ihren Quellcode offenlegen müssen. Dieser Aufsatz zeigt, wie man die Herausforderungen der europäischen NIS Direktive 2.0 oder des deutschen IT-Sicherheitsgesetz 2.0 relativ einfach mit bewährten normativen Wegen lösen kann.

Flexibilisierung thermischer Kraftwerken: Eine Literaturübersicht

Silas Heim und Lars Komogowski

Die „Energiewende“ in den Industrieländern stellt neue Herausforderungen an konventionelle, thermische Kraftwerke. Die Anlagen sind ursprünglich für den Betrieb bei vorrangig gleichbleibender Leistung ausgelegt. Mit dem fortschreitenden Zubau erneuerbarer Energien ändert sich aufgrund der volatilen Einspeisung der erneuerbaren Energien der Bedarf an konventioneller Leistung von einer gleichbleibenden hin zu einer dynamischen, flexiblen Einspeisung. Um diesen neuen Betriebsarten Rechnung zu tragen, müssen Kraftwerke sowohl durch bauliche als auch durch verfahrenstechnische Änderungen „flexibilisiert“ werden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Flexibilisierungsmethoden als Literaturübersicht und kategorisiert diese Methoden in drei unterschiedliche Hauptkategorien. Damit soll eine Grundlage zu diesem Thema geschaffen werden, da dieses in Zukunft an Popularität und Bedeutung gewinnen wird.

KKS und RDS-PP® – VGB spricht die Sprache der Kraftwerkstechnik

Andreas Böser und Sabine Kuhlmann

Unabhängig vom Grad der Industrialisierung, zählt die Stromerzeugung zweifellos zu den wichtigsten und komplexesten Aufgaben einer Gesellschaft. Die zuverlässige Energieversorgung und damit der erfolgreiche Betrieb eines jeden einzelnen Kraftwerks – unabhängig von der eingesetzten Primärenergie – benötigt ein Kennzeichnungssystem zur konsistenten Identifikation von Anlagenteilen und Prozessen. KKS und RDS-PP® bieten diese Möglichkeiten von der Planung bis zum geordneten Rückbau. Angefangen bei der Projektierung, über den Betrieb der Anlage und bis zum geplanten Laufzeitende sprechen alle Prozessbeteiligten dieselbe „VGB-Sprache“ und können so national und auch international problemlos miteinander kommunizieren. Dank dieser VGB-Kraftwerks-Sprache können hersteller- und betreiberunabhängig Daten ausgetauscht werden und versetzen Kraftwerksbetreiber in die Lage, ihre Anlagen selbstständig zu betreiben, zu warten und am Ende auch gesetzes- und normenkonform zu demontieren.

Download [1,8 MB]

Fortschritte bei nicht-energetischen Produkten aus Kohle

Ian Reid

Das weltweite Ziel einer kohlenstofffreien Energieversorgung führt zu grundlegenden Veränderungen in der Art und Weise, wie fossile Brennstoffe genutzt und eingesetzt werden. Was bedeuten diese folgenschweren Veränderungen für die Zukunft der Kohle? Die Nachfrage nach Kohle als Brennstoff wird sinken, so dass sie eine Ressource sein wird, die sowohl reichlich vorhanden als auch preiswert ist, was ihr Potenzial als einen attraktiven Rohstoff erhöht. Zum Beispiel enthält Kohle Fragmente von Nanomaterialien, die zunehmend als die Zukunft in den Materialwissenschaften angesehen werden. Jeder Elektromotor und jede Batterie benötigen Komponenten, die aus Kohle gewonnen werden können. Zunehmend verschiebt sich die Perspektive auf Kohle als Rohstoff, um neuen Industriezweige zu versorgen, sei es in der nachhaltigen Landwirtschaft, bei der Behebung von Engpässen bei kritischen Rohstoffen oder als Quelle für transformative kohlenstoffreiche Materialien. Die Wachstumsperspektiven von Kohle liegen daher eher in der Verwendung als Rohstoff denn als Brennstoff.

Steigerung des Wirkungsgrades von Kohlestaubkraftwerken

Malgorzata Wiatros-Motyka

Die Steigerung des Wirkungsgrads von Kohlekraftwerken bedeutet, dass weniger Kohle für die gleiche Menge an erzeugtem Strom eingesetzt wird. Damit ist dies eine Möglichkeit, die Brennstoffkosten zu senken und die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken in verschiedenen Flotten variiert stark; der derzeitige weltweite Durchschnitt liegt bei ca. 37,5 %, während modernste Anlagen wie RDK8 in Deutschland Wirkungsgrade von über 47 % erreichen. Dies bedeutet, dass etwa 2 GtCO2/Jahr eingespart würden, wenn die Lücke zwischen dem Durchschnitt und dem Stand der Technik geschlossen würde. Eine solche Reduktion würde etwa 5 % der gesamten globalen jährlichen CO2-Emissionen oder etwa 20 % der gesamten jährlichen Emissionen von Kohlekraftwerken entsprechen. Aufgezeigt werden technologische Entwicklungen und Optionen zur Steigerung der Effizienz von neuen und bestehenden Kohlekraftwerken.

Technologie-Roadmap für hocheffiziente, emissionsarme Kohlekraftwerke

Toby Lockwood

Kohle trägt weltweit mit dem größten Anteil zur Stromerzeugung bei und hat seit 1990 einen Anteil von etwa 37 % an der globalen Stromerzeugung obwohl sich die Gesamtnachfrage mehr als verdoppelt hat. Mit der Verstärkung der internationalen Bemühungen zur Reduzierung der Kohlendioxid(CO2)-Emissionen wird die Dominanz der Kohle bei der Stromerzeugung voraussichtlich allmählich abnehmen, aber sie wird auch in den kommenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle in diesem Sektor spielen – vor allem für die Schwellenländer mit wachsendem Bedarf. HELE-Technologien (High Efficiency, Low Emissions) beschreiben eine Reihe von modernen und neu in der Entwicklung befindlichen Lösungen zur Stromerzeugung mit geringerer Kohlenstoffintensität und mit effektiver Entfernung von Schadstoffen aus dem Rauchgas. Solange es Kohle im Energiesektor gibt, ist es von entscheidender Bedeutung, die Einführung und Entwicklung solcher Technologien zu maximieren, die auch den Weg für die kostengünstigere Anwendung der Kohlenstoffabscheidung ebnen können.l

Editorial

Digitalisierung als technologischer Wegbereiter für das Energiesystem der Zukunft

Wer hat Sie nicht schon gehört, die Schlüsselbegriffe der digitalen Welt: Big Data, Data Mining und Data Lakes, Smart Meter und Predictive Maintenance, KI und Cybersecurity, um nur einige zu nennen. Manche der dahinter steckenden Technologien gehören für viele von uns in der Energiewirtschaft bereits als konkrete Anwendung zum Alltag, bei anderen Technologien steht die Branche noch am Beginn der Nutzung. Allen Technologien ist gemein, dass sie in der zukünftigen Energieversorgung die entscheidende Rolle spielen werden.

In unserem im September 2020 veröffentlichten White Paper „Being Part of the Future Energy System“ haben wir beschrieben, wie sich VGB PowerTech und seine Mitgliedsunternehmen das Energiesystem der Zukunft vorstellen, welche Beiträge wir als Betreiber von Energieanlagen zu dessen Gestaltung leisten können und welche technologischen und regulatorischen Rahmenbedingungen unseres Erachtens dafür erforderlich sind. Eines der acht strategischer Handlungsfelder war die Digitalisierung in der Energieversorgung.

Das Energiesystem der Zukunft ist durch ein Zusammenspiel verschiedenster Technologien und Akteure gekennzeichnet. Die Digitalisierung – also die informationstechnische Vernetzung im gesamten Energiewertschöpfungsprozess – macht es möglich, dieses komplexe System effizient zu managen. Der Datenaustausch bildet das Fundament dafür, Energieanlagen miteinander zu vernetzen und den Systembetrieb ganzheitlich zu organisieren. Dafür braucht es hochautomatisierte Einzelanlagen, in denen Betriebsdaten transparent sind und die über eine intelligente Informationsverarbeitung verfügen.

Energieversorgungsanlagen zählen zur kritischen Infrastruktur und unterliegen daher besonderen Sicherheitsvorgaben. Daher spielt das Thema IT-Sicherheit eine besonders wichtige Rolle. Die fortschreitende Verbindung der leittechnischen Systeme zur Anlagensteuerung mit den in der Unternehmens-IT abgebildeten Geschäftsprozessen ist einer der wesentlichen Treiber für die stetig steigenden Anforderungen an die IT-Sicherheit. In Hacker-Kreisen gerät die Automatisierungs- und Leittechnik zunehmend in den Fokus. Dies zeigt sich durch eine ansteigende Zahl von entdeckten Sicherheitslücken sowie das Auftreten von spezialisierter Malware. Den besonderen Anforderungen für die Branche werden beispielsweise in Europa mit dem Cybersecurity Act und in Deutschland mit dem IT-Sicherheitsgesetz Rechnung getragen. Das Gesetz enthält Mindeststandards für die IT-Sicherheit von Anlagen der kritischen Infrastruktur sowie Vorgaben zur Risikoeinschätzung und zur Umsetzung von Maßnahmen. Der VGB-Standard „IT Security for Power Plants“ unterstützt die Betreiber dabei, ihre Anlagen vor digitalen Gefahren zu schützen.

Die Digitalisierung ist ein zentrales Instrument für die Optimierung des Anlagenbetriebs. Der Einsatz hochkomplexer Modellierungen – z.B. für Wetterprognosen oder für die Verbrennungsoptimierung – oder der Künstlichen Intelligenz – z.B. für die Auswertung von Betriebsdaten einer Anlagenflotte – macht die Umsetzung flexibler Betriebskonzepte sowie eine vorausschauende Wartung und Instandhaltung möglich. Eine systematische und einheitliche Kennzeichnung von Energieanlagen ist die Grundlage für ein effizientes Datenmanagement – das Referenzkennzeichensystem für Kraftwerke RDS-PP bzw. KKS vom VGB bietet dafür die perfekte Basis.

Der Zusammenschluss vieler kleinerer dezentraler Anlagen zu einem virtuellen Kraftwerk ist ein weiteres Beispiel für die Digitalisierung in der Energiewirtschaft. Solche Anlagen können Stromerzeuger wie z.B. Biogas-, Windkraft-, PV- oder Wasserkraftanlagen sein, aber auch Stromverbraucher, Stromspeicher oder Power-to-X-Anlagen.

Zudem ist die Digitalisierung eine Voraussetzung dafür, dass die verschiedenen dringend benötigten Flexibilitätsoptionen im Energiesystem zusammenwirken können, um Stromangebot und -nachfrage jederzeit auszugleichen. Flexibilität wird im Wesentlichen durch die vier Optionen regelbare Erzeugung, Energiespeicher, Stromnetze und Demand Side Management gewährleistet. Je flexibler ein Energiesystem ist, desto besser gelingt die Integration zunehmender Anteile von PV und Wind. Um zum Beispiel das DSM-Potenzial auszuschöpfen, müssen bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt sein, z.B. eine genaue Messung des Stromverbrauchs und eine digitalisierte Infrastruktur zur Fernsteuerung von Lasten.

Für den VGB und seine Mitglieder steht die Digitalisierung im Fokus ihres Handelns – vor allem, weil sie einen wichtigen Motor für technologische Weiterentwicklungen und die Anlagenoptimierung darstellt. Die VGB-Mitglieder sind sich ihrer Verantwortung bewusst, dass sie mit ihren Anlagen systemkritische Infrastrukturen betreiben. Daher nehmen sie das Thema IT-Sicherheit sehr ernst. Die Wettbewerbsfähigkeit der VGB-Mitglieder wird zukünftig umso mehr von ihrer Fähigkeit abhängen, aus dem reichhaltigen Datenfundus unternehmerische Mehrwerte zu generieren. Dies gilt sowohl für die Effizienz des Anlagenbetriebs als auch für die Interaktion mit Kunden und anderen Akteuren des Energiesektors.

Dr. Oliver Then

Geschäftsführer der VGB PowerTech